freiTEXT | Katharina Forstner

Regentinnenschaft

Die Königin frauscht waltet regiert:
108 m² Wohnfläche und einen kurzgemähten Rasen
zur Miete. Die zahlt sie an den Mann.
Die Königin besitzt: einen Thermomix einen Vibrator ein Auto. Den Thermomix besitzt sie auf der Kücheninsel, den Vibrator in der Sockenschublade, das Auto unter dem Carport. Die Königin fährt SUV. Das Schwarz glänzt in der Sonne, die Katze liegt auf der Motorhaube.
Die Königin weiß, dass sie glücklich ist. Ich bin glücklich, denkt sie
als sie in den Wagen steigt. Die Katze flüchtet beim Schlagen der Türen. Das Auto schnurrt aus der Einfahrt. Die Abendnachrichten säumen den Weg in die Arbeit.
Die Königin pflegt: 25 Wochenstunden für 1700 brutto auf der Neurologischen.
Dazu braucht sie: orthopädische Schuheinlagen gegen den Hallux Valgus. Eine junge Kollegin für die Eingaben am PC. Eine Tafel Schokolade für die Seele.
Hier dauert die Nacht zwölf Stunden und 24 Betten lang. Auf dem Heimweg wird sie zweimal angehupt: Die Ampel ist grün.
Die Schlüssel klimpern. Die Schüsseln klirren. Trockenfutter rieselt. Die Königin duscht und stellt sich nicht auf die Waage. Im Spiegel betrachtet sie Bauch und Haaransatz. Sie ist weiß gekrönt und muss bald nachfärben. Ihr Körper ist ein halbes Jahrhundert alt. Er hat eigene Zeitrechnungen erschaffen: 25 20 17 Jahre seit dem Urschrei. Das ist jährlich wert: Gutschein für drei Mal Wäsche aufhängen. Gutschein für einen Tag nicht lästig sein. Gutschein für einmal essen gehen. Die Königin wurde zur Mutter gekrönt.
Diese Krone ist mein Glück, sagt sie zum Spiegelbild und legt sich ins leere Doppelbett.
Die Königin hat gelernt sich zu kümmern um: drei Kinder zwei Katzen einen Mann. Den ist sie losgeworden. Jetzt hat sie einen anderen. Den neuen König statt dem alten.
Zu Mittag wird der neue König nach Hause kommen, deswegen schläft die Königin nur bis zwölf und wärmt das Essen. Um halb eins schreibt sie dem Mann: Wo bleibst du so lang?
Wo warst du so lang? Das Essen ist schon kalt geworden. Setz dich nieder. Ich nehme den kleineren Knödel. Der ist mir zerfallen. Willst du noch einen Schöpfer? Die Soße ist nichts geworden, zu viel Schlagobers erwischt. Hast du eh genug gehabt? Noch einen Kaffee? Kuchen habe ich auch noch.
Der Mann nimmt Platz auf der Eckbank und das Besteck in die Hand. Einen Bissen vom ganz gebliebenen Knödel. Er nimmt gerne. Er nimmt Liebe wie einen Blumenstrauß.
Die Königin gibt gerne. Das macht sie glücklich. Du machst mich glücklich, sagt sie dem Mann und springt auf um den Geschirrspüler auszuräumen.
Jetzt setz dich mal hin, sagen die Kinder immer zu ihr. Bleib doch am Tisch. Wenn sie mal da sind zwischen ihren Aventuiren.
Die Königin ist ihr Leben lang gelaufen: dem Läuten der Patienten nach, auf Eltern- – korrigiere – Müttersprechtage, zum Hofer zum Spar zum Fußballturnier laufenden Siebenjährigen zuschauen.
Der Mann steht auf und geht gemütlich: wieder in die Arbeit die Enkel besuchen seinem Freund Haus bauen helfen. Das Kaffeehäferl lässt er stehen.
Die Königin putzt schrubbt tuscht sich die Wimpern. Spricht mit den Katzen. Die Katzen sprechen nicht zurück. Bückt sich im Schlafgemach des Sohns nach Unterhosen und sagt: Das letzte Mal räume ich hier auf. Das Schlafgemach spricht nicht zurück. Ruft bei der Tochter an und erwischt nur die Mailbox. Die Mailbox spricht nicht zurück. Der andere Sohn hebt ab und will zum Essen kommen, morgen. Die Königin wird gebeten. Der Königin wird gedankt. Der Sohn spricht von seinen Weihnachtswünschen. Die Königin spricht nicht zurück.
Sie liest gießt sprießende Tomaten. Der Schlauch und die Augen tropfen.
Die Königin wartet: dass der Mann zurückkehrt die Kinder sie besuchen die Himbeeren reif werden
wartet: dass es heimkommt, ihr Glück.

 

Katharina Forstner

 

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21 | Katharina Forstner

Beweisführung

Es ist bewiesen: Frankreich existiert
mit seinen Banlieues der großen Stadt,
wo grenadineverklebte Zungen weiche Worte schlingen,
das Trottoir bestreikt von Autos und Cafés.
Es existiert -  ich habe es gesehen –
wie meine Zehen unter schwarzen Socken
das Strafgesetzbuch
und die Einsamkeit.

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Katharina Forstner

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9 | Katharina Forstner

Ich zähle die Wände um meine Stunden
Eine Wand hat ein Fenster hinunter zur Straße
Ich würde hinausgehen hätte ich einen Grund
Eine Wand ist löchrig von meinen Fäusten
Ich würde sprechen wüsste ich zu wem
Eine Wand mahnt wir alle hätten zu tragen
Die Zimmerdecke oder den Zusammenhalt
Eine Wand schmiegt sich an meine Schulterblätter
Sie zeigt mir wie man versteinert

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Katharina Forstner

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