Kaltes Feuer

Wir fügen immer noch ein Scheit hinzu und sprechen davon, dass das Holz aus uns sein möge
Wir fügen immer noch ein Scheit hinzu und sprechen davon, dass es unser Feuer sein möge
Wir fügen immer etwas hinzu, auf dass das Feuer in unseren Farben brennen möge
Aber immer ist es noch nicht unser Feuer
Immer zünden wir das Feuer noch nicht an

Das Feuer brennt noch nicht in unseren Farben
Wir beargwöhnen das Feuer, das noch nicht brennt
Früher haben wir auch Scheite abgetragen
Heute fügen wir nur noch Scheite hinzu
Und zünden das Feuer nicht an

Die Scheite werden immer größer, immer schwerer
Wir können die Scheite nur noch gemeinsam tragen
Weil das Feuer nicht brennt, fügen wir noch mehr Scheite hinzu und Scheite hinzu
Wir fügen verzweifelt immer noch etwas hinzu
Die Scheite werden immer größer, immer schwerer

Du willst das Feuer nicht entzünden, es hat zu lange nicht gebrannt
Die Scheite sind feucht und modrig geworden unter der Last der immer neuen Scheite
Wir leben von dem Feuer, das noch nicht brennt, das nicht mehr brennen wird
Aber wir fügen immer noch mehr Scheite hinzu
Wir können sie nur noch gemeinsam tragen

Niemand soll wissen, dass das Feuer nicht brennt, wir geben vor, dass das Feuer brennt
Dass das Feuer in unseren Farben brennt, dass es unser Feuer ist
Wir ersticken in dem kalten Feuer
Wir ersticken unter den schweren Scheiten, wir vermodern unter den schweren Scheiten
Wenn sich das Feuer entzündet, dann verbrennt es unsere Leichen

 

.

Johannes Bruckmann

.

freiVERS ist unser Wort zum Sonntag.
Du hast auch einen freiVERS für uns?
schreib@mosaikzeitschrift.at

<< mehr Prosa | mehr Lyrik >>