Bahnhöfe

Bahnhöfe, sagt man, seien Sackgassen, die so tun, als seien sie Plattformen. Am Bahnhof von Utrecht ziehe ich eine Nummer, im Schatten eines schrill leuchtenden Automaten, der beziehungslos meine Zukunft ausspuckt. Kann mich leider kaum dazu bewegen, den Zettel zu lesen. Also klaube ich Münzen aus einer Tasche, klaue den erstbesten Strauß im Geschäft nebenan, durch die Blume sprechen, sagt man. Ich persönlich mache alles Mögliche durch die Blume. Rauchen über den Dornen der Strauchrose, schlummern im Bett der Hortensie, grübeln in der Einöde der Orchidee, exzessiv, destruktiv, warum fällt über Anthurien nie ein Schnee, mein Kopf wird heiß, ich verstehe. Aber ich spreche nicht.

Vor einem Kiosk öffne ich eine Banane. Rechts und links von historischen Rissen suche ich heimlich klein wenig Gegenwart, folge den Abdrücken andrer Passanten, zerzauste, übriggebliebene, mit dem falschen Namen getaufte, die warten. Vor dem Abschied eine Erinnerung tanken, oder so ähnlich. Ich zerreise Brot. Trage es über der Schulter in Tüten, achso, ich bin übrigens wütend, allein zwischen Typen, zweifellos Tiere aller Art.

Meine Zeitgenossen konkurrieren mit Modernisten, Faschisten, Tauben, das auch. Der Zoo ist eine uralte Futurologie. Ob morgen Trost, ob Lüge trügt? Mangels freundlicher Alternativen vertraust du der Landschaft in meinem Kopf heut noch dein Knopfloch an. Vertieft in einen Haufen Schwere-Schein-Papier verträgt der Passagier fast jede Last, verspürt kein Spüren. Aber das Blicke-Versenken kannst du dir schenken, unter den Rädern trennt sich eins vom anderen von allein, wishing you a journey. Ich hasse Hast, halte sie fest an ihrer Tasche, taste, taste. Eine Stimme im Lautsprecher verklärt die verschiedenen Klassen, sind Sie noch etikettiert oder schon aussortiert? Ich bin auf der Suche.

Doch vor meinem Fenster finde ich nur einen Stein, Punkt, Punkt, Komma, Strich, misstrauen Sie dem Gesicht! Das schwebt und fällt da wie ein sinkendes Schiff, mittellos im Hafen. In meiner Hand verrutscht ein Stück Papier, die Zukunft, lese ich, hat einen urigen Hunger. Ich zieh die Gardinen vor. Doch als es losgeht, stopf ich ihr Maul nolens volens mit Fragen, fürchte, in der erstbesten Kurve habe ich den Salat. Und während Planeten, Raketen, Sonne und Regen vorüberziehen, kletterst du rückwärts durchs Loch, ohne den Kopf einzuziehen. Die Hand ausgestreckt, zwinkernd. Dieses Land, faucht durch das Brüllen der Lokomotiven die Blume in deiner linken, ist zu verlassen, goodbye, saw you soon, oder so ähnlich.

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Lilith Tiefenbacher

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