freiVERS | Christl Greller
und sind wir frass
und holt der fuchs das süße kitz im gras,
der böse fuchs.
nein, mutterfähe,
wir lernen: und füttert sie im bau.
und adler holt den fuchs,
ist böse. nein,
wir lernen: adlerjunge brauchen fraß.
naturgesetz ist: eines lebt vom andern.
mein liebes, mein geliebtes kind.
und lebt in deinem kopf etwas, das
von dir frisst und
wächst in deinem hirn auf deine kosten.
dein streichel-lieber kopf. und lebt darin
und frisst und wächst was,
nicht zu tilgen mehr, im kopf auf
deine kosten.
wir lernen - naturgesetzlich, eines lebt
vom andern.
ich habe es gelernt.
will’s nicht verstehen.
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freiVERS | Enno Ahrens
Nachts
trage ich fantastische Krawatten
gefertigt aus selbsterlegter
Klapperschlange die Rassel
dazu verdeckt im Saum
Meine Schuhe sind krokodilledern
das Jagdmesser mit Griff
vom Elfenbein aus
reinen Gedanken
Sie sind lichtscheu
wie blutrünstige Vampire
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freiVERS | Walter L. Buder
hüten
in zaunloser weite
wie ausgesetzt aber nicht rastlos
im horizont der schöpfung
boden gewinnen
schreitend im takt zeitloser
unrast wie wankend aber nicht
ruhelos im lichtkreis des stabes
seelen nähren
und bergen. und schützen. und sorgen.
neugeborenes im unterholz, verstecktes
retten und heilen, vielleicht. immer
aber gefährlich entschieden und
einfach sein
den träumen ein auge
den leiden ein herz
den mächten ein widerfahrnis
widerstehen. und hüten. das
offene geheimnis
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freiVERS | Sascha Kokot
heute wird es nicht mehr hell
kurz war nur der Mond zu sehen
bevor sich der Himmel fest
über der Esse verschloss
die Farbe von Januargewittern annahm
die Jungs brennen ihr letztes Feuerwerk ab
im Nachhall wird dir kälter
du siehst den Schnee kommen
weißt aber der Sturm wird dich nur streifen
weit hinter den Gärten stumm wüten
die Angst in dir hat sich schon lange
ihren Platz gesucht und schläft dort ruhig
lässt dich unbewacht
nach den schmerzenden Stellen greifen
dich leise ihre Maße nehmen
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freiVERS | Steffen M. Diebold
anglerglück
den tag
vom haken lassen
das herz
auswerfen
auch mal in trüben
teichen fischen.
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23 | Sarah Claire Wray
c scham
ich war und bin und werde immer sein
durch arbeit definiert
schaffe schaffe häusle baue
nur wer leistet,
ist
ein guter mensch ein lieber mensch
ein mensch der von anderen gelobt wird
doch jetzt ist alle leistung still gedreht.
und ich ich bin
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Sarah Claire Wray
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20 | Sarah Rinderer
heimat
ich sammle aushöhlungen
unter den fingerkuppen
lavasteine
feinkörnig
der stille nach
aufs fensterbrett gelegt
vertiefungen
blassviolett bis anthrazit
erinnerungen ans flüssig-sein
nie ganz schwarz
am flughafen
zäher strom
heimreisende glasig
und mit zu schwerem gepäck
die alle am selben ort
ihre gesammelten steine
zurücklassen
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Sarah Rinderer
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19 | Walter L. Buder
die drei
1
am siebten morgen
stille und licht im tagwind
des nachts klopft ein herz
2
hell schlägt die glocke
handlauf im steilhang ihr ton
dicht an der zeit
3
leuchtendes warten:
zittergras und schachtelhalm
singen im schatten
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Walter L. Buder
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17 | Andro Robica
Mobiteli
Mobiteli su stvarno najveće sranje
Pod jedan oni ponekad ne funkcioniraju
Pod dva oni smrde po govnima kad su pali u govna
Pod tri ne može s njima telefonirati kad ne više funkcioniraju jer su pali u govna
Ostatak dana
sjedi onda
neodlučno u sobi
bez znanja
što činiti
.
Mobiltelefone
Mobiltelefone sind wirklich die größte Scheiße
Erstens funktionieren sie manchmal nicht
Zweitens riechen sie nach Scheiße, wenn sie in die Scheiße gefallen sind
Drittens kann man nicht mit ihnen telefonieren, wenn sie nicht mehr funktionieren, weil sie in die Scheiße gefallen sind
Den Rest des Tages
sitzt man dann
ratlos im Zimmer
ohne zu wissen
was man tun soll
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Andro Robica
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15 | blume (michael johann bauer)
placebo=effekt
an manchen tagen findet der streit kein ende
ihr akkumuliert stress ohne sinnvolles ventil
fuehrt beinahe jede begegnung zur explosion
eurer unter der haut abgelagerten miniminen
keine letalen folgen & dennoch zermuerbend
die regelmaeszigkeit mangels fluchtraum esc-
taste die man einfach mal schnell betaetigen
koennte seid ihr euch ja absolut ausgeliefert
zu dritt in dieser viel zu winzigen wohnung
& vor lauter auf & ab & hin & her vergesst
ihr in diesem jahr sogar nikolaus zu feiern
waehrend weihnachten stur naeherrueckt
peinigen euch ploetzlich gewissensbisse
& ihr blickt euch endlich wieder richtig
an mit zuneigung liebkost euch & lacht
ueber die borniertheit in euren herzen
macht sich eine wohlige waerme breit
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blume (michael johann bauer)
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