freiVERS | Clara Heinrich

frühling

wir jumehrten in der ersten wonne, bistrotteten im sichten gepente. die pursi figerten, das frein gelierte. du sukzessiertest, nur kein tabell, alles bitte nur kein tabell, fruh mich nicht! ich grandete, karierte, gaspelte. du bist ein pepin, abandest du. ich lanzierte dir meschui das dormionte. der etrang war lanur und espisch. wie im denti jaunerten wir, klamaukerten die hepte mit harisch, die greine mit lisen. rüstel ist aber zirrich heute, wirschelst du. quellte wie er zalpe, vertriente ich. ja, quellte wie er zalpe, verlöst du. oh, wie gezerrlich das sichte gepente, gepöselst du noch. Ich gemunierte.

Clara Heinrich

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07 | Clara Heinrich

Harmonie

Es ist still. Außer. Tick. Tack. Tick. Tack. Das ist die Küchenuhr. Bisschen tiefer klingt das Tropfen aus dem Wasserhahn. Patsch. Patsch. Geräusche, die meinen monotonen Alltag begleiten. Ich sollte mein eintöniges Leben vertonen. Kann ein Leben eintönig sein? Es fühlt sich so an. Dabei ist meines mindestens zweitönig. Da gibt es das Ticken, das Tacken und das Patschen als ständige Begleitung meines Herzschlages, der wie ein Metronom über allem wacht. Das ist wiederum nur meine Wahrnehmung, weil das Schlagen des Herzes mir lauter vorkommt als die Uhr da hinten in der Ecke. Die geht bestimmt genauer als mein Herz, keine Sorge. Ich fühle aber anderes. Ich ticke eben anders. Der Zweite Ton in der Zweitönigkeit ist greller, lauter, schriller, nicht monoton und gleichmäßig wie Wasserhahn und Küchenuhr. Mein Herz gibt den Takt auch diesmal vor. Es ist ja schließlich Metronom. Mein Metronom. Wie das wunderschöne, dunkelrote hölzerne, das früher neben dem Klavier stand. Nur schneller, panischer, hektischer. Hektisch trifft es gut. Der Atem hört aufs Herz. Er wird flacher. Schneller. Alles wird schneller. Schneller und Greller. Zu viel für mich. Bis ich irgendwann verkrampft zu Boden sinke, dem zu schnell nachgebe und heule bis nichts mehr geht. Die Tränen sind so laut, wie es zuvor still war. Bevor die Panik kam. Mich einfach wie ein Tsunami überrollt hat. Das passiert oft. Ein paar Mal am Tag. Ich bin so etwas wie eine wandelnde Symphonie mit dem Paukenschlag. Oder ist mein Leben die Symphonie und ich der Paukenschlag? Nein, das bestimmt nicht. Dazu haue ich zu wenig auf die Pauke. Das Pauken liegt mir nicht. Also bin ich die Symphonie und das Leben der Paukenschlag? Egal. Jedenfalls wäre ein Dirigent sehr notwendig. Oder eine Dirigentin, versteht sich. Davor sollten meine Instrumente aber noch gestimmt werden. Die klingen falsch. Irgendwie nicht harmonisch. Die Harmonie fehlt insgesamt. Nicht nur beim Ticken, nicht nur beim Tacken. Irgendetwas ist falsch. Insgesamt eben. Nackt kommt man auf die Welt. Sind die Instrumente dann schon gestimmt oder sind sie noch gestimmt? Meine waren bestimmt nie gestimmt, ich war schon immer verstimmt. Deswegen vergreife ich mich auch so oft im Ton. Der ist dann zu streng, zu wütend, zu traurig. Zu, auf jeden Fall mit zu davor. Die Stimmlage stimmt dann nicht. Ich bin schief, ausgerutscht, nicht richtig. Auf die schiefe Bahn geraten. Wobei das dann ja nicht meine Schuld wäre, wenn die Instrumente schon bei der Geburt verstimmt waren. Aber das sagt mir niemand. Niemand sagt mir, du bist die Nadel, die alle Platten verkratzt und hat dann eine Lösung parat. Nein, so sind sie nicht. Und trotzdem geben sie den Ton an. Sie sagen, sei nicht traurig. Traurig?, wiederhole ich dann tonlos. Ich werde immer leiser, die Panik immer lauter. Aus dem nichts wird sie laut. Immer jeden Tag. Sie holt mich ein. Jagt mich, so wie eine Note hinter der anderen herjagt. Sie gehört zu mir, die Panik. Könnte (m)ein Komponist mal eine Pause setzen? So ein Zeichen würde mein Leben erleichtern. Die Pauken, die brauche ich gerade nicht. Was bin ich nun? Wo sind die, die mich hinbiegen und stimmen sollten. Tick. Tack. Tick. Tack. Patsch. Patsch. Die Panik ist weg, die Eintönigkeit zurück, doch ich weiß, der zweite Ton wird wieder kommen.

Clara Heinrich

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freiTEXT | Clara Heinrich

Ameisenstraße

Es ist Sommer. August. Die Tage waren eben noch lang. Schon werden sie kürzer. Alles was ich sehen kann ist die Dunkelheit, es ist als hätte es keine langen, hellen Tage gegeben. Ich versinke im Schneechaos. Im August. Kinder toben vergnügt, Wassertropfen aus kreischenden, bunten Spritzpistolen treffen auf gemusterte Badebekleidung, das kalte Nass ändert die Farben. Bälle rollen. Knie werden aufgeschürft. Sand fällt aus den geringelten Socken, auf die kalten weißen Badezimmerfließen, die von grauen Fugen getrennt werden. T-Shirts mit Flecken vom geschmolzenen Eis landen auf dem Schmutzwäschehaufen in der Ecke.

Und ich mittendrin. Bis zu den Knien im kalten Schnee. Stecke fest. Kann nicht vor, nicht zurück. Die Kälte krabbelt durch meinen Körper wie die Ameisenstraße, die in der Küche ein neues zuhause gefunden hat. Die schwarzen Punkte haben sich so stark angepasst, dass es scheint als wären sie immer schon da gewesen. Als hätte der Architekt sie genau an dieser Stelle eingeplant. Ich sollte ihre fleißigen Arbeitstage unterbrechen, ihre Linie, die die Küche durchzieht vor die Türe setzen.

Doch das kostet Kraft. Die winzigen Eiskristalle, die um meine Füße Klumpen bilden, kosten Kraft. Das Essen von der Hand zum Mund ist schwer. In Anbetracht dessen sind die kleinen schwarzen Monster nicht mein größtes Problem. Dabei beneide ich sie, während ich mit meinem inneren Monster kämpfe. Sie stehen jeden Tag auf. In aller Früh und schuften ohne dabei Anzeichen von Erschöpfung zu zeigen. Ich bin schon erschöpft, bevor ich anfange zu arbeiten. Erschöpft bevor ich überhaupt aufstehe. Gar zu erschöpft um zu Schlafen. So tief bin ich gesunken. Ich beneide Insekten.

Die Sonne steht wieder einmal hoch und brennt auf den kleinen Balkon, auf dem ich den dritten Espresso trinke um die Müdigkeit zu vertreiben, doch wie die Ameisen hat sie sich längst eingenistet und brütet ihre Eier. Aus den Eiern schlüpfen Ekel, Selbsthass und Scham, die sich weiter mit der Erschöpfung und der Müdigkeit paaren bis ihre Larven beginnen an meinem Innersten zu nagen und ich verfalle. Die schwarzen Stoffe in die ich mich hülle verbergen die hässliche Seele, die ich mit mir herumtrage, für die ich mich schäme.

Das Feuerwerk, das vor meinem Fenster tobt und ein Schillern in der Luft zeichnet dringt dumpf zu mir durch. Ich verabscheue. Wen? Was? Alles. Die Farben im Nachthimmel sind längst wieder weg. Es erinnert mich an mein Leben. Kurze Farbexplosionen gefolgt von Dunkelheit. Im bewölkten Himmel der Nacht ohne Mond und ohne Sterne finde ich einen Verbündeten. Durch das offene Fenster strahlt er mich an mit einer Schwärze, die sonst niemand wahrnimmt, weil die Welt schläft. Nur ich bin wach. Die Gedanken kreisen in spinnenden Bewegungen und der Wind weht die laue Spätsommerluft ins Schlafzimmer. Die Müdigkeit drückt mich ins Bett, die Decken umschlingen mich. Mein Kopf versinkt im Kissen und die Worte in meinem Kopf geben keine Ruhe. Sie wollen weitermachen, herumschreien und springen, statt sich in meine Traumwelt zu verzupfen. Und mich einfach schlafen zu lassen. Bald kommt die Sonne wieder. Ich werde nicht viel schlafen. Gleich wird sie mich wecken und morgen werde ich wieder müde sein und nichts schaffen. Mit diesen Gedanken schlafe ich ein und träume wirr von Worten, die wie Flummis aussehen und Farben, die verschwimmen.

 

Clara Heinrich

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