track I – III

3d hast du gesagt. wir sind bei a, b, c vorbeigelaufen, an dem alten mann mit dem sabbernden hund und dachten: das nächste haus muss es sein. die kleinstädeplanerin hat sich wohl einen scherz mit uns erlaubt und das alphabet einfach umgestellt. das wissen wir noch nicht und läuten bei tür nummer 44. hinter den restlichen klingelquadraten in schwarz-feinripp: namen. gut leserlich, weil: indirekt beleuchtet, einheitliches schriftbild. korrekte beschriftung ist die halbe miete wert, hat sich da wohl jemand gedacht und trotzdem etwas übersehen: 44 namenlos, also: winzige lamellen unter meiner fingerspitze. sandra sagt: sicher wegen den bullen kein name dran. oder wegen der gis: sage ich und läute gleich nochmal. du hörst bestimmt nichts, die anderen sind laut. kaltschnäuzig will der alte mann mit dem hund jetzt wissen: was habt ihr hier zu suchen? jedes recht: sagt sandra unerschrocken. das reicht dem alten. er zieht davon und seinen vierbeiner hinter sich her, schnauze am boden. unheimlich: sagt sandra als ich bemerke: e statt d. die städteplanerin lacht sich ins fäustchen (verschluck dich nicht!) und wir schleichen um die ecke zum nächsten quader. das licht geht an, wir stehen richtig. d gleicht e, wie ein ei dem anderen. nur, dass neben den viereckigen klingelknöpfen andere namen stehen. nikolai grönwald. klingt ernst, aber: es bist du und ich: klingle. ich kann es selbst nicht glauben, ich gestehe: ich wusste nichts von deinem namen. du heißt uns trotzdem willkommen. der türöffner summt länger als nötig. draußen sieht der sabbernde hund, wie unsere schatten hinter milchglas ins innere von 3d verschwinden.

was hast du denn gedacht, wie er heißt? fragt mich sandra, als wir im lift unsere augen gegen das grelle fahrstuhllicht zusammenkneifen. vergiss es: sage ich und dann öffnest du die tür.

es riecht nach gras. (du würdest »ganja« sagen.) und vanillekipferln. kipferl ist ein hässliches wort. ich wünschte, es gäbe ein anderes dafür. vanillehörnchen vielleicht? beschissen, dennoch: already taken. bourbon-halbmonde: könnte funktionieren. später finde ich heraus: christmas scented candles, very seasonable. nicht winterliche musik als ausgleich: reggae, zeitlos. obwohl: du bist ein sommerkind. seit ich dich kenne, stehst du auf reggae. auf reggae und annika, die eigentlich mit nur einem n geschrieben wird und die jetzt mit dani zusammen ist. vor einigen jahren mal… da wart ihr beide ein paar, du und annika. ihr wart wie nimm2: leuchtend, nur nicht: gelb & orange. noch übrig aus dieser zeit sind: zwei falsch geschriebene namen in meinen kontakten und die couch, auf der wir jetzt sitzen. let’s get together and feel alright: trällert bob marley seine 1 liebe im hintergrund und sandra vor sich hin.

du kommst aus der küche auf uns zu: ins wohnzimmer. küche und wohnzimmer sind ein und derselbe raum. you move with purpose. (sonst wäre dein zugang nicht zu erkennen.) du bietest uns kuchen auf alufolie an. niemand hat geburtstag. sandra hört auf zu singen, nimmt sich ein stück und fragt mich: fährst du? aus der bisher unerwähnt gebliebenen runde sagt jemand: ich kann fahren, wirklich. du reichst mir eine gabel, ich lehne ab. lieber ess ich mit den händen. nusssplitter fallen aus dem schokoladenteig. ich denke an wolken und das schlaraffenland.

niemand rührt hier das besteck an. es bleibt: abandoned, am tisch liegen. während: ich, ungeübt in full lotus, auf die couch krümmle. mir wird schwindlig, i almost faint. but then: just light-headedness und: es geht gleich wieder. sorry: sage ich, ganz ehrlich. du lachst, kurz und laut. dann sagst du: macht nichts und nur annika weiß, warum, doch nichts von alledem: sie schläft schon lang. das bett ruft: sagst du und meinst damit eigentlich deine arbeit morgen. wir gehen, umarmungen zum abschied. du bläst die duftkerzen aus, während wir ins auto steigen. sandra und ich sitzen hinten. die rückbank ist kalt, auf den scheiben: frostkristalle. jemand schlägt vor: enteisen. mir gefallen die eisblumen. ich will, dass sie bleiben. das bringt unglück: behaupte ich und wir fahren los, lassen 3d hinter uns und den frost auf den scheiben liegen. was geht in dir vor: frage ich den schwarzen samthimmel und rechne nicht mit einer antwort. doch dann: ein scharfer schnitt, der beinah blutig endet. ich pralle mit der stirn gegen die kopfstütze des vordersitzes. ein erdbeben peitscht durch meinen körper. magnitude, magnitude, Magnitude, plötzlich hell: Magnitudo, ich sehe sterne. dann: stillstand, abrupt. ich hör die andern atmen. weiße wolken steigen auf. eine straßenlaterne wirft sich vor das erschütterte schwarz, licht fällt auf den intruder, mit dem wir beinah kollidiert wären. i see: he’s marked: LOVE 1. black velvet: denke ich und weiß: das war knapp. wer bekennt sich so offen zur liebe: frage ich sandra. du weißt aber auch gar nichts: antwortet sie und lässt ihre fingerknöchel knacken. vorne: shift to first gear, almost simultaneously. schon sind wir zurück: auf kurs.

Thordis Wolf

 freiTEXT ist wöchentliche Kurzprosa. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? schreib@mosaikzeitschrift.at

<< mehr Prosa | mehr Lyrik >>