Wird schon nichts gewesen sein

Es ärgerte ihn, dass er nicht mehr Tourist in seiner Stadt war. Deshalb spazierte er dieses Mal nicht über die Spabersbachgasse, sondern bog über die Albersgasse in die Morellenfeldgasse ein. Bei den Häusern kamen ihm keine Betrachtungen, er schaute nur. Als er aber zu den Fahrradständern von Haus Nummer 9 schaute, zog er seine Zigarette ganz schnell aus dem Mund. Seine linke Hand hörte auf mit der Fisherman‘s Friend Packung in der Hosentasche zu spielen und er blieb stehen. An dem Fahrradständer lehnten sieben Räder, eines ganz vorne. Es hatte keine Kotflügel, keinen Gepäcksträger und kein Licht.

Ein altes KTM Fahrrad.

Er schaute sich um und dämpfte seine Zigarette an einem Mistkübel aus. Das Fahrrad wurde vor allen anderen, ganz vorne platziert. Er steckte beide Hände in die Hosentaschen und betrachtete es. Beide Reifen hatten keine Luft. Ihm wurde warm. Die Lenkgriffe aus weißem Plastik. Der Griff für die Gangschaltung zeigte nach oben. Er drehte die Gangschaltung runter. Im Stand, das geht doch nicht. Er schaute sich um. Kein Mensch in der Morellenfeldgasse.

Er schaute auf die Fassade der Nummer 9, ein sanierter Altbau, ließ die Schultern hängen und ging weiter.

Hmmm, dachte er. Er zündete eine Zigarette an und ging stadtauswärts.

Aber warum war das Rad nicht abgesperrt?, sagte er, als er zuhause die Tür aufsperrte. Seine Freundin saß auf der Couch und las Wilhelm Tell. Wurde dein Fahrrad gestohlen?, fragte sie. Er stand vor ihr mit Jacke und Schuhen. Nein, nicht meins aber vielleicht ein anderes, sagte er. Ein Schönes?, fragte sie. Ein KTM, das war vor fünf Stunden, sagte er. Sie legte das Buch weg und zog sich die Schuhe an. Auf der Straße bot er ihr ein Fisherman’s Friend an. Es hatte nicht einmal Katzenaugen, sagte er.

Sie schaute sich das sanierte Haus an. Im ersten Stock waren neue Fenster, etwas verstaubt mit Wischspuren. Ein Porsche und drei Audis parkten vor dem Haus. Das KTM stand noch da. Sie legte ihre Hand auf den Sitz, der wackelte. Wer fährt mit einem wackeligen Sitz herum?, dachte sie und sagte er. Vielleicht hat es jemand kurz geparkt und das Schloss vergessen, sagte sie. Er schüttelte den Kopf. Wenn das Kettenblech nicht so gepflegt aussehen würde, dann hätte ich es sofort mit genommen, sagte er. Aber schau mal, sagte sie, die Geschichte geht so: Das Haus hat neue Mieter, hier der Porsche und die Audis zum Beispiel. Die haben Elektrofahrräder, die im Innenhof stehen. Der Hausmeister hat ausgemistet und im Vergleich zu den neuen Rädern kam es ihm alt und rostig vor. Deshalb hat er es einfach rausgestellt.

Er lächelte und ging um eine Birke herum, aber, sagt er, wenn die Geschichte nicht so war und jemand sein Fahrrad sucht? Dann, sagte sie, werden wir erwischt und jemand kann uns diese Geschichte endlich erklären.

Susanne Pernkopf

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