Siebzehn Minuten, 2020

Zu Steven gehen. Von Steven kommen. Straßen entlanglaufen, die im verordneten Dornröschenschlaf vor sich hindämmern. Das Schwappen in den inneren Fässern hören, die nicht umkippen dürfen, weil du sonst nirgendwohin mehr gehst. Auch nicht zu Steven.

Das Zu-Steven-Gehen dauert siebzehn Minuten. Das sind siebzehn Minuten, in denen du die Fässer durch die Straßen balancierst vorbei an Menschen, die wie du sacht ihre Schritte setzen. Katzenmenschen überall, in dieser Stadt, in der doch sonst immer jemand schreit oder mit den Füßen auf den Boden stampft.

Und immer, wenn du zu Steven gehst, bleibt jemand plötzlich stehen. An einer Kreuzung oder einer Hausecke, jemand, der unausgeschlafen aussieht und in den Himmel blinzelt. Ein Mensch, der sich zu fragen scheint, wohin wollte ich, wohin soll ich, und jedes Mal, nach ein paar Sekunden, mit einem Ruck wieder losläuft. Als sei es ihm eingefallen, als wüsste er jetzt das Wohin. Das Sollen. Und du freust dich in diesen siebzehn Minuten, dass es dir selbst heute nicht einfallen muss.

Deine Schritte sind siebzehn Minuten lang abgezählt. Du hast nicht genug für zwanzig Minuten oder auch nur für achtzehn. Zu-Steven-gehen heißt, zu wissen wohin mit dir und warum. Beides hat die Umrisse von Stevens Hand, die deine Schulter entlangstreicht, ohne etwas zu fordern; die dich auf ein Floß im Meer zieht. Der Trick ist, denkst du, sich nie an den Holzplanken festzuhalten, sondern immer am Meer.

Das Von-Steven-Kommen dauert dagegen länger, es dehnt sich aus. Fünfundzwanzig Minuten sind es meist, manchmal zählst du sogar fünfundreißig. Je nachdem, wie dir die Zeit unter den Füßen wegdriftet, weil du hier und da langsamer gehst, in den Taschen nach imaginären Zigaretten suchst, herumguckst, ohne etwas zu sehen. Immer läuft die gleiche Playlist dabei. Rauf und runter. Die Fässer sind jedoch still.

Alles in allem stimmt aber etwas mit dem Zu-Steven-Gehen nicht. Wenn du zuhause die Tür hinter dir schließt, aus den Schuhen schlüpfst und es aufhört, das Zu-Steven-Gehen-Von-Steven-Kommen, gibt es keine Verschnaufpause. Es gibt keine Ruhe, alles beginnt vorn, das Schwanken und Schwappen, das Warten. Das Warten auf das Zu-Steven-Gehen.

Und du fragst dich, warum immer nur du gehst.

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Gloria Ballhause

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